Losung, 8.September 2024
Psalm 119,66: "Lehre mich rechtes Urteil und Erkenntnis, denn ich vertraue deinen Geboten!"
2.Timotheus 2,23: "Lass dich nicht auf Streitereien und Wortgefechte ein! Du weiß doch, dass sie nur zu
Auseinandersetzungen führen."
Klarheit der Worte
Sind „klare worte“ immer das, was sie zu sein vorgeben? In Auseinandersetzungen werden sie
zumeist gebraucht, um Positionen unmißverständlich zu machen. Der eigentlichen Bedeutung nach
müssten sie aber eigentlich Inhalte herausstellen, die ihre Klarheit und Wahrheit schon in sich selber
tragen. Hier dürfte eine der seltenen Gemeinsamkeiten zwischen der Philosophie der Aufklärung und
der Verkündigung des Wortes Gottes liegen.
Das führt zwangsläufig zur Frage nach den Voraussetzungen: Sind die Quellen meiner Klarheit und
Wahrheit in sich selbst klar und wahr? Für Gottes Wort gilt das immer und unbedingt, weil dessen
Quelle der heilige Gott selber ist. Die ganze sinnfreie Diskussion einer „Zwei-Naturen-Lehre“ aus
Gotteswort und Menschenwort ist gegenstandslos. Würde die Tatsache, dass Gottes Wort uns in
menschlicher Sprache begegnet, zu seinem Charakter irgendetwas beitragen, „dann lasst uns essen
und trinken, denn morgen sind wir tot“! Aber gerade deswegen entzieht sich Gottes Wort unserem
Erkennen und Urteilen, da seine Klarheit und Wahrheit nur der Geist Gottes darlegen kann. „Er wird
euch in alle Wahrheit führen.“ Der Psalmist nimmt also die Haltung ein, die zu allen Zeiten dem Wort
Gottes gegenüber einzig angemessen ist: Er geht bei Gottes Geist in die Lehre.
Wie anders verhält es sich da mit dem Verstand oder der Vernunft als Quellen für Klarheit und
Wahrheit. Gerade der Begriff Vernunft ist hier sehr entlarvend, er kommt nämlich von Vernehmen.
Vernunft ist also 1. immer subjektiv und 2. immer auf Einwirkung von außen angewiesen. Selbst
wenn die Außenwelt Wahrheit in sich hat, bleiben die Fragen offen, wieviel davon in mir ankommt,
und ob das, was ankommt, in mir auf angemessene Deutungsmuster trifft. Es ist also eine höchst
unsichere Angelegenheit.
Und genau hier liegen auch die Fallen bei Streitereien in geistlichen Dingen, die Timotheus
vermeiden soll. In den Streithähnen liegen immer dieselben Unsicherheiten, und aus den Streitereien
spricht zumeist dieselbe Erkenntnis-Hybris wie aus der Behauptung: Meine Vernunft erklärt die Welt.
Es kann sein, dass der Geist Gottes Auseinandersetzung fordert. Die Gemeinde ist der Tempel des
heiligen Gottes, und wahr kann nur sein, was der Offenbarung dieses Gottes entspricht. Ich denke
auch nicht, dass Timotheus solche Auseinandersetzungen meiden sollte. Lehre der Erkenntnis führt in
die Tiefe; Streit um Erkenntnis führt zur Zerstörung. Zerstört der Geist, der die Gemeinde baut, auch
die Gemeinde? Welcher Geist ist da am Werk? Vielleicht musste deshalb die Gemeinde in Ephesus
pastoral organisiert werden und konnte nicht synodal bleiben wie andere.
Bibel-Subjektivismus ist ein zentrales Problem unserer Gemeinden. „Wie verstehe ich das?“ ist das
Gegenteil von „Wie hat Gott es gesagt?“. Man geht eben nicht mehr bei Gottes Geist in die Lehre,
und man vertraut seinen Geboten nicht mehr. Und dann wird eine Gemeinde entweder modern wie
in Korinth, und jeder kämpft für seine Wahrheit gegen die anderen. Oder sie wird postmodern, wir
bauen auf Treibsand und diskutieren Gender-Fragen.
Zum Hirtendienst des Timotheus gehörte es, genau das zu vermeiden, und zwar um der Schafe
willen. Wem Wasser und Weide egal sind, dem sind die Schafe egal. Dem guten Hirten sind seine
Schafe aber alles andere als egal!