Losung 30.Juli 2023
Psalm 119,26: "Ich erzähle dir meine Wege, und du erhörst mich. Lehre mich deine Gebote!"
1. Johannes 5,15: "Wenn wir wissen, dass er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, dass wir erhalten,
was wir von ihm erbeten haben."
Soll das heißen: Hören = Erhören? Ich kann es nicht mit biblischer Gewissheit behaupten, würde aber
da gerne mal etwas weiterdenken.
Falls das so sein sollte, würde beim Beten das Inhaltliche weitgehend hinter das
Beziehungsgeschehen zurücktreten. Das würde den Sinn des Sonntags Invocavit aufgreifen: „Er ruft
mich an, darum will ich ihn erhören“. Es würde ernstnehmen, dass Jesus Gott nicht immer als Erhörer,
aber immer als Vater verkündigt und in diesem Zusammenhang sagt: „Bittet, so wird euch gegeben!“.
Es würde die Gebetslehre des Paulus aufgreifen: „Wir wissen nicht, was wir beten sollen ..., sondern
der Geist Gottes vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen bei Gott“.
Dietrich Bonhoeffer denkt in diese Richtung. Wer kein Christ ist, kann alle möglichen Sätze an Gott
richten, aber das ist kein Beten. Ein Christ dagegen kann alles in völliger Freiheit an Gott richten und
dabei immer schon den Vater am Werk wissen. Er weiß, dass Gottes Handeln auch da in der Güte und
Weisheit eines heiligen Vaters besteht, wo es ihm nicht gefällt. Schwer bleibt gleichwohl, die
Prioritäten Gottes gelten zu lassen.
Biblische Beispiele für solche Prioritäten, die für die Betroffenen schwer zu tragen waren, wären die
Antwort Gottes an Paulus: „Meine Gnade ist für dich exakt passend, und meine Kraft vollendet sich in
deiner Schwachheit“. Gott erhört also das Gebet des Paulus, indem er das genaue Gegenteil von
dessen Inhalt tut.
Oder die Lebensgeschichte des Jakob. Es ist Gott selber, der ihm am Jabok die Hüfte ausrenkt. Und
erst, als er seinen Lebensweg nicht mehr aus eigener Kraft gehen kann, ist es ein Weg der Anbetung.
Sollte sich dann vielleicht unsere Glaubens-Reihenfolge umdrehen? Wenn Gottes Handeln immer
schon Erhören ist, bevor es Hören war, wenn es von vornherein Vollzug seiner Vatergüte ist, dann
brauch ich nicht mehr darauf hinzubeten, dann darf ich lernen, von daher zu beten. Ich muss dann
lernen, Spannungen auszuhalten: Die Spannung, dass die Vitamine schon wieder im Spinat sind, und
nicht im Pudding; die Spannung, daß Jesus mir Selbstverstümmelung gebietet, wenn ich ansonsten
mit zwei gesunden Füßen Gottes Prioritäten in den Dreck trete; die Spannung, am Verstehen Gottes
zu scheitern, dabei aber in seine Hand zu fallen.
Wenn Jesus sagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, bedeutet das vermutlich auch, dass sich für
Christen die Spannungen in dieser Welt nicht auflösen werden. Man kann ja verzweifeln, wenn man
diese Sätze des Johannes liest, wenn man dann für einen treuen Missionar um Erhalt des Augenlichts
bittet, und es anschließend mit jeder Operation schlimmer wird. Okay, wenn Gott einem auf Wegen
des Ungehorsams ins Knie schießt, meinetwegen. Aber wenn man auf seinen Wegen geht? Müssten
da nicht doch mal die Charismatiker Recht bekommen, und Gott müsste einem Gehorsam mit
Gesundheit belohnen?
Wenn es die Spannung auszuhalten gilt, daß Gott einerseits sagt: „Meine Wege sind nicht eure
Wege“, und andererseits: „Ich habe Gedanken des Friedens und nicht des Leides über euch, dass ich
euch Zukunft und Hoffnung gebe“ – was bedeutet es dann, sich die Bitte zueigenzumachen: „Lehre
mich deine Wege!“? Wo nehme ich die Demut und die Selbstverleugnung her, die ich für diese Bitte
brauche? Oder gehören Demut und Selbstverleugnung schon zu der Insolvenz-Masse, die ich vor Gott offenlegen muss?