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23.06.2024

Losung, 23.Juni 2024

Psalm 22,23: "Ich will deinen Namen kundtun meinen Brüdern."
Galater 1,11: "Ich tue euch kund, Brüder, dass das Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht von
menschlicher Art ist."


Ein Evangelium evangelischer Art
Was für ein Evangelium würden wir uns wohl ausdenken oder aussuchen? Am Bequemsten wäre
doch sicher Voltaire: „Gott muss vergeben; das ist sein Beruf“. Oder eine Art Erasmus light: „Vom
freien Willen“ schon, aber ohne großes Brombeerium, nur einfach annehmen lassen.
Was für ein Evangelium verkündigt David? Was für ein Evangelium erleidet Jesus? Der 1.
Korintherbrief macht deutlich, dass ein echtes Evangelium sich jeder menschlichen Art immer
entziehen muss. Das Evangelium muss ja Sünde und Tod umfassen und darf deshalb nicht von ihnen
umfasst werden. Menschliche Art bringt Gericht. Deswegen muss das Evangelium jede menschliche
Art zunichtemachen. „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisheit der
Welt zuschanden mache. Und was nichts ist vor der Welt, dass hat Gott erwählt, damit er zuschanden
mache, was etwas ist.“
Das Evangelium verkündigt Gericht und muss selbst auch Gericht bleiben. Denn „der natürliche
Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“. Und es ist „den Kindern des Todes ein Geruch des Todes
zum Tode“. Würde man es im Bonhoeffer’schen Sinne „billig“ machen, machte man Gott zum Lügner
und die Hörer zu Betrogenen.
Das Evangelium ist aber v.a. „eine Kraft Gottes, selig zu machen, die daran glauben“. „Kraft Gottes“
und „selig machen“ korrespondieren hierbei, denn beim Selig-machen geht es nicht um eine
therapeutische Wirkung, sondern um eine substantielle Lebenswende, und die kann nicht
menschlicher Art sein, weil eine Leiche sich nicht rumdreht. Das Evangelium entzieht sich jeder
menschlichen Einordnung, und jeder Versuch, es menschlich zu machen, führt unweigerlich in die
Katastrophe.
Menschlich betrachtet, ist das Evangelium sicher unmenschlich, denn der Tod am Kreuz ist absolut
grauenhaft. Aber genau das ist der Lohn meiner Sünde, und genau das muss ich zugeben, damit es für
mich gültiges Evangelium wird. Meine völlige Demütigung unter das Kreuz ist der entscheidende
Knackpunkt. Und die kann nicht menschlicher, sondern nur geistlicher Art sein, weil ich alles von mir
selbst weggeben muß. Das ist das „Ärgernis des Kreuzes“, das niemals abgeschwächt werden darf.
Psalm 22 ist bekanntlich der Psalm am Kreuz. Nach den antiken Zitat-Regeln ist davon auszugehen, dass
Jesus ihn im Sterben ganz gebetet hat. Er verkündigt also „seinen Brüdern“ in seinem Sterben den
Namen Gottes, d.h., einerseits Gottes Heiligkeit im Umgang mit Sünde, andererseits aber auch
Gottes Treue in seinem Willen zur Erlösung und Gottes Gnaden-Ratschluß im stellvertretenden
Opfer seines Sohnes.