‹ zurück zu allen Andachten

01.01.2024

Jahreslosung 2024

1.Korinther 16,14: "Alle eure Dinge laßt in der Liebe geschehen!"


Paulus schreibt an eine Gemeinde. D.h., er wird wohl grundsätzlich davon ausgehen, dass seine
Adressaten nicht aus vorsätzlicher Bosheit handeln.
In Kapitel 13 ist Liebe ja schonmal sein großes Thema. Hier ordnet er wichtige gemeindliche Elemente
wie Erkenntnis und Gaben der Liebe unter. Es könnte also auch sein, dass Investitionen in die
Gemeinde oder Versuche, die Gemeinde voranzubringen, gegen die Liebe stehen. Und das müssen
nicht mal nur getarnte Ego-Tripps sein; es kann aus ganz echtem Interesse an der Gemeinde
kommen. Der Hebräerbrief sagt: „Seht zu, dass keiner von euch zurückbleibe!“.
Idiolatrie (Ich diene mir selber) ist – unschwer an der griechischen Wortherkunft zu erkennen – so alt
wie die Gemeinde selber. Und spätestens, seitdem die Charismatik salonfähig geworden ist, ist die
Umetikettierung von Fleisch und Emotion zu „Geist und Wahrheit“ das Normale. Wie müsste man
hier die Anordnung des Paulus vielleicht neu denken?
Noch etwas weiter vorne verbindet Paulus die Themen „weltliche Güter“ und „geistliches Gut“ und
entfaltet den Gedanken, dass Liebe eine sehr konkrete Form des Dankes ist: Die Geschwister in
Jerusalem sind arm, aber ihr seid durch sie geistlich reich geworden. Welchen Schluß zieht ihr
daraus? Liebe ist also auch eine Antwort. Diesen Gedanken entfaltet Jesus am Beispiel der
Vergebung.
Liebe und Wahrheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Paulus trifft Anordnungen in ethischen
Fragen und stellt die Gemeinde damit vor ihren heiligen Eigentümer. Hier ist das Gegenteil von Liebe
nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Wo wäre denn ein Vater, der angesichts einer tödlichen
Erkrankung seines Kindes sagen würde: Na, und? Für genauso undenkbar hält es Paulus, dass in der
Gemeinde Jesu angeblich jeder leben kann, wie er will. Da vor Gottes Richterstuhl zuviel auf dem
Spiel steht, ist die Wahrheit Jesu Christi die Liebe. Könnte die Liebe, die immer eingefordert wird,
vielleicht getarnte Fillwennigkeit sein, und der Verzicht auf Wahrheit die eigentliche Lieblosigkeit?
Wenn ich die Wahrheit des deutschen Autobahn-Netzes nicht kenne, kann ich in aller Ruhe nach
Gießen fahren und dabei denken, ich käme in Siegen an. Dass jeder seinen eigenen Weg finden muss,
stimmt nur, wenn niemand irgendwo ankommen will.
Für das Eingangsproblem des Briefes hat Zinzendorf mal eine sehr elegante Lösung gefunden: Wir
erklären einfach Jesus zum obersten Bischof seiner Gemeinde. Wie er das dann allerdings praktisch
durchgehalten hat, weiß ich nicht. Es scheint aber in der Gemeinde ein bedeutsamer Punkt zu sein,
dass die Liebe sich erst in zweiter Linie dem anderen zuwendet; in erster Linie wendet sie offenbar
den anderen zu Christus. Hier scheint der Grund zu liegen, dass Simon der Zelot, und Levi, der Zöllner,
gemeinsam zum Abendmahl gehen können. Die Liebe ist dadurch begründet, dass sie aus dem einen,
einzigen Grund wächst, „der gelegt ist: Christus“.
Liebe kann deswegen diakonisch sein, weil sie nicht humanistisch ist. Sie kann deswegen
durchhalten, weil sie nicht emotional ist. Paulus kann deswegen so einen totalen Liebesanspruch
formulieren, weil diese Liebe nicht von mir abhängig ist. Die Aufforderung „Lasst uns lieben!“ wird dadurch begründet, dass Christus uns zuerst geliebt hat.